mein bester freund sebi hat mich anfang juli dieses jahres gefragt, ob ich mitte august zusammen mit ihm zwei männer aus pirna in sachsen aufs matterhorn führen möchte. ....
für sebi wäre es das erste mal als bergführer am matterhorn, also etwas ganz besonderes. der termin ist auf 25./26. august angelegt, die beiden ärzte aus ostdeutschland haben zeitlich leider nicht viel spielraum.
aufgrund des reisestresses und der fehlenden akklimatisation bin ich sehr kritisch bezüglich unserer chance den gipfel zu erreichen. da sebi vorher sowieso im wallis ist, soll er die beiden überreden bzw. überzeugen, einen oder besser zwei tage mit ihm zur höhenanpassung zu verbringen.
das würde die gipfelchance der beiden sachsen deutlich erhöhen, und sebi bräuchte nicht extra heim- und gleich wieder rausfahren.
die beiden haben aber nur das zeitfenster von 2 tagen, wollen am 25. aus sachsen anreisen und am 26. august gleich nach dem abstieg wieder heim fahren. na bravo.
ich bespreche mich mit sebi und wir beschliessen, es zu versuchen. meiner meinung haben wir halt recht geringe chancen in einer vertretbaren zeit und mit einem vertretbaren risiko auf den gipfel, und besonders auch wieder runter zu kommen. sebi sieht die ganze sache ein wenig entspannter und ist optimistisch, dass wir die beiden gut rauf und wieder ins tal bringen.
er erklärt den beiden dennoch, dass die möglichkeit besteht dass wir abbrechen, oder dass zumindest ein team es nicht schaffen könnte.
wir stellen nochmal klar, die entscheidung darüber läge einzig und allein bei uns bergführern.
wir beschliessen, in der nacht von mittwoch auf donnerstag nach zermatt zu fahren, ausgemachte treffzeit am 25. ist 12.00 in täsch.
da ich am mittwoch noch eine führung auf die wildspitze habe, bleibt mir wieder nicht viel zeit für meine familie.
allerdings habe ich ziemlich glück mit meinen gästen zur wildspitze, die beiden jungs aus innsbruck sind ziemlich fit, wir brauchen nur 2 1/2 stunden von der hütte zum gipfel. als abstiegsroute wähle ich den nordostgrat, den schnellsten aber auch schönsten weg runter vom berg.
so sind wir schon um 11 wieder auf der breslauerhütte, trinken noch was zusammen und beschliessen, nächstes jahr zusammen auf den ortler zu gehen.
ich gehe alleine runter bis zum motorrad, und bin so gegen 1/2 eins schon wieder zu hause.
meine frau und meine kinder sind grad im aufbruch zu einem badenachmittag, durch die gute leistung meiner gäste heute kann ich doch noch ein wenig zeit mit meiner familie verbringen. die megazeit auf die wildspitze hat aber nichts mit meinem nachmittagsprogramm zu tun, gabriel und tobias waren einfach brutal fit. das seil zwischen uns war nie gespannt :-).
in der nacht von mittwoch auf donnerstag treffen sebi und ich uns um 4.00 uhr in sölden.
vollgeschnallt mit rucksack, reisetasche und schlafpolster! friere ich mich halbverschlafen auf meinem motorrad die 15 minuten von obergurgl nach sölden runter. bei sebi zu hause angekommen bin ich leider putzmunter, der geplante weiterschlaf am beifahrersitz fällt somit ins wasser und das 'polsterammopedtransportproblem' hätt ich mir für ein anderes mal aufheben können.
wir unterhalten uns die fahrt über, durch unseren beruf und unsere familien sehen wir uns nicht mehr so oft wie früher.
coole sache, dass wir zwei zusammen mit zwei gästen am matterhorn unterwegs sein werden.
kurz vor 12 uhr treffen kurz nach uns, auch unsere beiden gäste am parkplatz in täsch ein.
thomas und heiko sind vater/sohn, sebi kennt thomas von früher her.
wir checken und besprechen das notwendige material und fahren mit dem taxi nach zermatt.
mein erster eindruck bestätigt meine bedenken: besonders heiko erscheint mir unerfahren und im bezug auf den anspruch der tour sehr blauäugig zu sein.
er will in sandalen die 800hm zur hörnlihütte rauf und möchte weiters unbedingt ohne lifthilfe von zermatt aus starten. die zusätzlichen 800hm verbieten wir ihm bei dieser affenhitze aber. ich sage ihm, er kann ja morgen, falls die tour zu kurz war, noch zu fuss ins tal gehen. ich nehm auf alle fälle den lift :-).
gegen 13.30 wandern wir vom schwarzsee los in richtung hörnlihütte. sebi, thomas und ich in einem der hitze angepassten, langsamen schritt, heiko in seinen sandalen bevorzugt eher den laufschritt und ein andauerndes stop and go.
das kann ja morgen was werden.
am weg nach oben fällt mir allerdings auf, dass sich beide trittsicher bewegen, auch der barfüssige heiko.
trittsicherheit ist am matterhorn schon mal nicht schlecht, ein kleiner lichtblick.
nach dem einchecken schaut sich sebi noch die erste halbe stunde der route an, ich geniesse das panorama auf der hüttenterrasse.
unser schlachtplan für morgen lautet wie folgt:
thomas geht mit sebi, ich nehme heiko.
unserer meinung nach ist die chance auf den gipfel für thomas aufgrund seiner grösseren bergerfahrung höher, und da sebi auch noch nie oben war soll er mit thomas gehen.
sollte sich wider erwarten heiko als der einzige der beiden als gipfeltauglich herausstellen, würden sebi und ich die gäste tauschen. ich würde dann mit thomas umdrehen und sebi mit heiko auf den gipfel gehen.
da ich schon ein paarmal oben war, will ich auch sebi alle optionen auf einen gipfelerfolg offen lassen.
ich schnappe mir also heiko, bei der kontrolle und beim anpassen der steigeisen erfahre ich, dass sein höchster gipfel bisher die zugspitze war und seine eiserfahrung gegen null geht.
ich bleibe und werde äusserst skeptisch für morgen, versuche ich die beiden auf die 'spezielle' morgenatmosphäre auf der hörnlihütte vorzubereiten.
die hütte ist rappelvoll, ich will! zumindest vor den ungeführten seilschaften aus der hütte kommen.
frühstück ist um halb fünf, startzeit um 4.50h.
als ich kurz vor halb fünf über die treppe runterkomme, das übliche bild:
der eingangsbereich ist bereits voll mit bergführern und leuten, die die besten startplätze reservieren.
ich setze mich zum frühstück nieder und wie befürchtet ist von meinem team noch niemand hier. so muss ich nach eintreffen dieser ein wenig druck machen und wir kommen um 5.00 los.
nach ca. 10 minuten in gemütlichen tempo sehe ich bereits die riesenschlange an stirnlampen, vor dem ersten fixseil wartend.
also den alternativen einstieg über eine versteckte verschneidung, dazu müssen wir an der warteschlange vorbei zur einstiegswand.
unterhalb der verschneidung ist das schneefeld bockhart gefroren, ich muss heiko bereits hier fixpunkt sichern, ein ausrutscher seiner- oder auch meinerseits wäre hier ziemlich schmerzhaft und direkt neben den anderen, wartenden seilschaften auch peinlich.
ich steige die verschneidung vor und erkläre heiko, der die metallstifte und das fixseil nicht als kletterhilfe nehmen möchte, dass am hörnligrat jedes technische hilfsmittel willkommen ist. geschwindigkeit ist hier sicherheit.
nach der umgehung der standardroute warte ich nicht auf sebi, sondern fädle ich mich in den wurm aus stirnlampen ein. ich befinde mich mit heiko im vordersten drittel, inmitten der ganzen schweizer bergführer. wir haben bereits mindestens 20 seilschaften überholt.
heiko bewegt sich überraschend gut, wir können locker das flotte tempo der anderen teams halten. zweimal setze ich sogar zum überholen an, werde aber von zwei schweizer führern unsanft wieder abgedrängt. da heiko wirklich fit und unglaublich flink unterwegs ist, wage ich es später noch mal.
der dritte versuch bei den sogenannten eselstritten endet in einem wortgefecht, bei dem mir nahegelegt wurde, mich gefälligst hinten einzuordnen.
lächerlich, was für ein ego manche schweizer kollegen haben. an jedem anderen berg werden schnellere seilschaften gerne vorbeigelassen.
das matterhorn ist halt doch speziell.
nach der oberen moseleyplatte setzen heiko und ich uns kurz hin, ich bin stark beeindruckt wie gut er drauf ist.
ich versuche sebi anzurufen um zu fragen, ob bei ihm alles ok ist. vom turm oberhalb der solvay kann ich dann sehen, dass er ca. eine halbe stunde hinter uns ist.
ich kann ihn nicht erreichen, heiko sagt mir, dass sein vater ein kämpfer ist und er denkt, dass er es sicher schafft. so gehe ich mit heiko weiter, will aber an der schulter noch mal versuchen, sebi zu erreichen.
dort wechseln wir auf die steigeisen und klettern anschliessend entlang der fixseile nach oben.
kurz unter der schwersten stelle geht nichts mehr, drei bergführer haben ihre kunden komplett eingewickelt, es ist ein riesenchaos. es wird rumgeschrien und schuldzuweisungen werden getätigt. Mit ein wenig schadenfreude muss ich feststellen, dass meine zwei kollegen von den überholmanövern involviert sind.
innerlich lächelnd versuche ich das seilknäuel möglichst großräumig zu umgehen und bekomme nach passieren noch ein oder zwei schimpfworte nachgerufen.
irgendwie kommt im leben alles wieder zurück, ich spüre ein klein bisschen genugtung. ich weiss, dass ich mich damit auf das gleiche niveau wie meine zwei schweizer freunde runterlasse, trotzdem muss ich die letzten meter bis zum schweizer gipfel immer wieder ein wenig grinsen.
nach 3 1/2h erreichen heiko und ich den gipfel des matterhorns.
es ist windstill, die fernsicht ist perfekt, ein traumhafter tag.
wir beschliessen auf sebi und thomas zu warten, heiko legt sich hin!! und geniesst die sonne, ich laufe ein wenig rum und fotografiere.
meine schweizer kollegen halten sich nicht lange am gipfel auf, foto, und wieder runter. sie müssen ja unbedingt vor den anderen unten sein ;-).
sebi kommt knapp 1,5h später, wir alle freuen uns.
heiko und ich warten noch, bis die beiden am italienergipfel und dem kreuz waren, dann machen wir uns gemeinsam an den abstieg.
ab dem unteren dach seile ich heiko so oft wie möglich ab, das geht erstens schneller und zweitens hat er spass dran.
durch die wartepause am gipfel ist der abstieg sehr relaxt, wir haben kaum gegenverkehr. heiko macht seine sache auch im abstieg ausgezeichnet und so sind wir nach knapp 3 1/2h wieder auf der hörnlihütte. einzig die unglaubliche hitze macht uns auf dem weg nach unten zu schaffen, auf der hörnlihütte haue ich mir erstmal 1,5l wasser rein. wasser bestelle ich eigentlich nie (im wasser vögeln die fische), aber der durst war riesengross.
wir sitzen auf der terrasse und freuen uns über den gelungenen tag.
ich bin immer noch ganz begeistert von heikos heutiger leistung. nie hätte ich ihm das noch gestern zugetraut.
wenn ich vorher von seiner unerfahrenheit gewusst hätte, hätte ich niemals zugesagt diese tour mit ihm zu machen. das risiko für mich wäre mir zu hoch gewesen, aber er hat mich heute eindeutig eines besseren belehrt.
später läuft heiko mit zwei bier zum einstieg, um sebi und thomas in empfang zu nehmen. ich habe auf der terrasse ein paar freunde vom ösv getroffen, die auf trainingslager in zermatt und zur hütte hochgelaufen sind.
sebi und thomas kommen eine stunde nach uns auf der hütte an. wir gratulieren, trinken noch was und müssen leider schnell los, der letzte lift geht in einer stunde.
so beeilen wir uns beim abstieg um die letzte bahn vom schwarzsee zu erwischen, heiko muss aus zeitmangel leider auf das geplante bad im schwarzsee verzichten. auf die minute schaffen wir den lift, spazieren anschliessend raus durch zermatt und lassen uns zum auto nach täsch fahren.
Nach einem gemeinsamen bier verabschieden wir uns, thomas und heiko wollen heute noch heim und auch sebi und mir steht noch eine siebenstündige autofahrt bevor.
für mich gehts gleich morgen mit einer kletterwoche im pinzgau weiter.
schön wars.
besonders, weil ich mit meinem besten freund gemeinsam als bergführer am gipfel des matterhorns gestanden bin.
lg
paul
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Maximilian (Sonntag, 04 September 2016 12:06)
Super Bericht, cool geschrieben!
Macht Lust auf mehr, zwar nicht in der Massenbewegung