Geboren und aufgewachsen bin ich in Umhausen im Ötztal. Durch die Bergleidenschaft und Naturverbundenheit meines Vaters wurde uns, meinen beiden Schwestern und mir, das Wandern und
Bergsteigen schon von klein auf spielerisch und natürlich vermittelt. Unsere Entdeckungsreise begann im Wald mit seinen moosbedeckten Böden, Felsen, Bäumen und spannenden Höhlen und
führte uns bald in die höheren Regionen rund um unser Heimatdorf.
Fasziniert von den umliegenden 3000ern und den hohen, vergletscherten Bergen im hinteren Ötztal wurden die Rother Alpenvereinsführer Ötztal und Stubaital von Heinrich Klier sowie die
dazugehörigen Alpenvereinskarten schnell zu meiner Lieblingslektüre. Ich war so begeistert, dass ich bereits im einstelligen Alter sämtliche Hütten, Pässe und Gipfel inklusive ihrer
Höhen, Gehzeiten, Schwierigkeiten und Besonderheiten auswendig kannte.
Es lag also nahe, so viele Gipfel wie möglich besteigen zu wollen.
Die Höhepunkte in dieser Zeit waren sicherlich die Besteigung der Wildspitze im Alter von 6 Jahren und der Gipfel des Großglockners mit knapp 8 Jahren, begleitet von zahlreichen
weiteren, nicht weniger spannenden Erlebnissen.
In der Pubertät legte ich aus entwicklungsbedingten Gründen eine bergsteigerische Pause ein, da ich mich rebellisch verhielt. Zwischen 15 und 18 Jahren gibt es für einen
Heranwachsenden wichtigere Dinge im Leben als nächtelange Zustiege mit Stirnlampe oder das Durchqueren von Geröllwüsten in den Gletschervorfeldern.
Nachdem ich die Zeit des Erwachsenwerdens ohne bleibende Schäden überstanden hatte, kehrten meine Interessen wieder in die richtige Richtung zurück. Während mein Vater bis zur
Teenagerzeit mein Führer, Begleiter und Seilpartner war, war es nun an der Zeit, selbstständig und eigenverantwortlich in den Bergen unterwegs zu sein.
Es folgten die "Wilden Jahre", in denen das Abenteuer im Vordergrund stand. Unsere Mentalität lässt sich am besten mit den Worten "Was kostet die Welt" beschreiben. Wenn ich von
meiner Jugendzeit erzähle, könnte durchaus der Satz fallen, dass ich sie überleben musste. Diese erste Phase des selbstständigen Bergsteigens endete mit einem 40 Meter hohen Sturz
beim Klettern in der Mieminger Kette, den ich mit viel Glück relativ glimpflich überstanden habe.
Ein anschließender, kurzer Zwischenauftritt im geordneten Berufsleben machte mir jedoch schnell klar, dass ich mir mein perfektes Leben anders vorstelle: Ich möchte so viel Zeit wie
möglich in den Bergen verbringen und all die Ziele, die ich als kleiner Junge in der Bergliteratur bewundert habe, in der Realität erleben. Der Zugang zum Bergsteigen änderte sich
erneut, und ich begann, die Berge wieder mit den Augen eines kleinen Jungen zu sehen.
Ich erinnerte mich daran, wie sehr ich mich immer auf die Bergtage gefreut hatte, wie gerne ich mich darauf vorbereitet hatte, wie begeistert ich die Karten und Führerliteratur
studiert hatte, wie spannend ich auch die kleinen, unscheinbaren Dinge in den Bergen fand, wie mich jeder neue Gipfel, jeder neue Gletscher und jede Tiefschneeabfahrt faszinierten,
wie sehr ich mich freute, wenn mein Vater mich mal wieder von der Schule für Bergtouren abholte, und wie beeindruckt ich von den "echten" Bergsteigern mit ihren großen, schweren
Rucksäcken war. Und wie sehr ich die Bergführer - die Helden meiner Kindheit - bewunderte.
Und jetzt bin ich selbst einer von ihnen.
Die Berge haben auch nach vielen Jahren als professioneller Bergführer und Skilehrer nichts von ihrem Reiz verloren. Ich freue mich immer noch auf die Führungstage und bin immer noch
fasziniert von den unendlichen Möglichkeiten, die die Berge bieten. Ich liebe es auch heute noch, die Natur, Führerliteratur und Kartenmaterial zu studieren und dabei neue Wege,
Varianten und Möglichkeiten zu entdecken. Ich freue mich immer noch wie ein kleines Kind über jeden neuen Gipfel, jede neue Route, jede mir unbekannte Gegend, jeden unberührten
Tiefschneehang und über das unbezahlbare Gefühl, wenn der neue Tag hoch oben erwacht.
Im Laufe der Jahre bin ich vielleicht etwas älter, ruhiger und weiser geworden, aber im Herzen bin ich wahrscheinlich immer noch der kleine Junge von damals geblieben.
Vom Wachsen
und Erwachsen
werden: