eine kletterwoche im pinzgau?
klingt gut, sehr gut sogar.
da mein sommer grossteils aus früh aufstehen, massenlagern, im dunkeln über schlechte wege stolpern, langen gletscherüberquerungen, hohen bergen, schlafversuchen am nachmittag, italienischem hüttenfras und dünnem wein auf den hütten besteht, lockt die aussicht auf lange schlafen, einzelzimmer, gemütlich zur wand spazieren, rauhen fels, flipflops, nachmittagscappuccino, schach und guten wein, also auf eine entspannte kletterwoche, doch sehr. .....
....mit jacqueline bin ich schon mehrere male unterwegs gewesen. kennengelernt haben wir uns auf einem ausbildungskurs für den holländischen alpenverein, wir waren zusammen am venediger, in der berninaundin den stubaiern unterwegs. auch versucht ;-) skifahren zu lernen hat sie bei mir. in den letzten zwei jahren haben wir den focus mehr aufs klettern gelegt, waren jeweils eine woche indercadingruppe und in den cinque torri und am falzaregopass zum klettern.
jacqueline hat erst auf meinen rat hin mit dem klettern begonnen und entwickelt sich beachtlich. sie ist vollkommen angstfrei und absolut motiviert sich zu verbessern. egal wie furchteinflössend die abseilstrecken auch ausschauen, sie pfeift ohne viel zu überlegen runter.
vor zwei jahren hat jacqueline ein chalet in bramberg im pinzgau gekauft und so lag es nahe diesen platz als homebase zu nutzen und von bramberg aus auszuschwärmen.
der termin hierfür war die 1. oktoberwoche 2015.
kurz vorher bekam ich jedoch einen anruf von ihrer ältesten tochter, jacqueline hatte einen schweren unfall: ein pferd ist durchgedreht und ihr mit dem huf voll auf den kopf gesprungen. sie liegt im künstlichen tiefschlaf, der schädel musste geöffnet werden, es schaue nicht gut aus. die nächsten wochen werde ich immer wieder per whatsapp auf dem laufenden gehalten, von tot über halbseitig gelähmt bis schwerst behindert ist eigentlich alles dabei.
die sache beschäftigt mich sehr, wir haben in den letzten doch einiges an zeit zusammen verbracht.
ich schicke ihr einen stein vom gipfel der grossen zinne per post ins krankenhaus.
wir waren vor 2 Jahren gemeinsam oben. auf dem zettel anbei steht, dass sie diese schwere zeit genauso schaffen wird, wie sie all unsere touren geschafft hat. sie ist eine kämpferin mit einem starken willen, der stein soll ihr kraft geben.
ca. eine woche nach der nachricht dass fast keine gehirnaktivitäten messbar sind, erhalte ich eine sprachnachricht von jacqueline:
sie redet sehr langsam, entschuldigt sich bei mir für den nicht eingehaltenen termin, bedankt sich für den geschenkten stein, und sagt dass sie im sommer wieder mit mir klettern wird.
ich erkläre ihr, dass sie mir den stein wieder zurück geben muss, sie kann sich im sommer mit mir einen eigenen vom gipfel holen :-).
jaqueline verbringt nun sehr viel zeit mit reha, muss viele sachen wie zb. laufen wieder neu lernen.
im winter machen wir einen termin für ende august aus, ich bin skeptisch wie weit sie wieder hergestellt ist, erwarte mir ehrlich gesagt nicht viel.
sie hält mich über ihre fortschritte auf dem laufenden, ein wenig rumwandern wird schon gehen denk ich mir.
ich beschliesse, die brambergwoche nachzuholen. das hat den grossen vorteil, dass wir sehr flexibel auf ihr niveau eingehen können und nicht an irgendwelche hütten oder gebiete gebunden sind. so können wir am ehesten das maximum für jacqueline herausholen.
so reise ich direkt nach der matterhorntour am samstag nach bramberg, wir essen zusammen und besprechen unsere optionen für diese woche.
ich hätte als highlights die kleine zinne und ev. eine glocknerbesteigung geplant, vorausgesetzt jacqueline ist dafür fit und technisch wieder versiert genug. ich weiss, mit dem glockner würde ich ihr einen traum erfüllen.
am sonntag steht erstmal ein gemütlicher 'warmwerd-klettertag' an.
aufgrund der hitze im tal fahren wir nach kaprun um im skigebiet auf 2500m an den kletterfelsen rund um die mittelstation ein wenig zu üben. ich merke, dass die koordination beim normalen laufen noch sehr zu wünschen übrig lässt, das klettern funktioniert nach der üblichen umstellungsphase von der halle überraschend gut.
beim nachhausefahren ist die stimmung gut: jacqueline ist zufrieden, ich bin zufrieden, ein guter tag. innerlich beschliesse ich, ihr den grossglockner zu erfüllen, auch wenn wir dafür ein wenig länger als normal brauchen werden.
tag zwei verbringen wir in einem super klettergarten im gasteinertal, danke gassner andi für den tipp!.
wir klettern schon wieder steiler und auch schwieriger, ich freu mich sehr für jaqueline.
als gesunder mensch kann man sich nicht wirklich vorstellen, wie wichtig eine bestätigung sein kann, dass man am weg zurück ist.
am dienstag starten wir bereits um 05.00 morgens, um trotz 2h autofahrt nach misurina zur auronzohütte früh loslegen zu können.
der plan für heute lautet: kleine zinne.
sicherlich ein highlight für jacqueline, die moderaten kletterschwierigkeiten bis 4+ sollten sie nicht überfordern, die spektakuläre abseilerei den tag für jacqueline zu einem abenteuer machen.
doch bereits bei der anfahrt plagen mich wettertechnische bedenken, es ist nicht so gut wie gemeldet. beim zustieg wird mein bauchgefühl eigentlich immer schlechter, ich traue der wetterlage nicht. am einstieg erkläre ich jacqueline dass wir nicht einsteigen, ich will hier einfach in kein gewitter kommen. wenn wir es trotzdem versuchen muss ich sie wahrscheinlich ein wenig stressen, nichts mit genusskletterei und einem relaxten klettertag. sie ist natürlich ein wenig enttäuscht, lächelt mich aber an, you are the boss, und sagt dass der berg nächstes jahr auch noch da ist.
so kehren wir um, frühstücken und verbringen den rest des angefangenen tages in einem klettergarten nahe lienz.
dann steht jacqueline's highlight, der glockner auf dem programm.
ich habe mir im vorfeld und im lauf der woche viele gedanken gemacht, wie ich sie da rauf und runter bringe,
ihre koordination beim laufen leidet noch sehr unter dem unfall.
wir werden die etappen verkürzen, dann haben wir eine realistische chance den gipfel zu erreichen, besonders aber dabei auch noch freude und spass zu haben.
am mittwoch fahren wir gemütlich nach kals, klettern am vormittag noch im neuen klettergarten beim lucknerhaus. dabei verliere ich die wette um zwei grosse bier, jacqueline steigt erstmals wieder eine 6+ nach.
mit diesem erfolgserlebnis für sie beenden wir die sportkletterei für diese woche und wandern gemütlich die 300hm zur lucknerhütte rauf. dort bleiben wir die erste nacht, verkürzen so die strecke zur adlersruhe am nächsten tag. in entspanndem tempo gehen wir am donnerstag über die stüdlhütte zur erzherzog johann hütte. der kleine klettersteig unterhalb dieser ist für jacqueline bereits ein kleiner vorgeschmack auf das was sie morgen erwartet. sie tut sich schwer, ich ermutige sie für morgen, verspreche ihr den gipfel.
am nächsten morgen hat der gestrige, nachmittägliche regen ein paar wenige cm schnee hinterlassen.
jacqueline und ich starten ein wenig später als der rest, die sonne sollte die bedingungen im lauf des tages verbessern. wir haben den ganzen tag zeit, werden heute nochmal auf der adlersruhe schlafen.
gemütlich starten wir los und kommen recht gut bis zum oberen bahnhof. das leitl ist ein wenig ausgeapert, mit ein bisschen fels- und eiskontakt und gutem willen erreichen wir die scharte.
der weiterweg zum kleinglockner ist voll mit anderen seilschaften, einerseits sind die schnelleren teams bereits wieder im abstieg, die langsamen, überforderten seilschaften haben wir nun leider vor uns.
wir machen pause und rasten, jacqueline hat bedenken, die ich aber gar nicht aufkommen lasse. wir nehmen uns einfach die zeit die wir brauchen.
am weiterweg zum kleinglockner und zur oberen glocknerscharte lasse ich immer wieder schnellere gruppen passieren. kurz vor der scharte will jacqueline aufgeben, sie denkt, dass sie es nicht mehr schaffen kann.
aber so kurz vor dem gipfel geben wir nicht mehr auf.
ich drohe ihr mit dem doppelten tarif wenn wir umdrehen müssen ;-), so kann ich jacqueline nochmal motivieren.
gegen 10.30 erreichen wir den gipfel des grossglockners, es ist ein perfekter tag.
unmittelbar nach erreichen des gipfelkreuzes brechen bei jacqueline die gefühle durch. freude, stolz, erschöpfung lassen sie hemmungslos weinen. auch ich habe eine ganz kleine freudenträne im augenwinkel meines linken auges wahrgenommen. es ist für uns nicht vorstellbar wie wichtig dieser gipfel für sie ist, wie viel kraft ihr dieser erfolg für die zukunft gibt.
es ist der beweis, das man mit einem gesunden willen alles erreichen kann.
vom rollstuhl auf den gipfel des grossglockners.
innerhalb eines jahres.
goed gedaan, jacqueline!
kun je trots op je zijn
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Jacqueline (Freitag, 09 September 2016 21:43)
Paul heel erg bedankt voor deze voor mij speciale week.
Je hebt het onmogelijke voor mij mogelijk gemaakt.
Super viel Danke Paul für diese für mich spezielle Woche.
Du hast für mich das unmögliche möglich gemacht.
GIG Jacqueline